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So siehts aus: Zur Lage am (nachhaltigen) Finanzmarkt 2022

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So siehts aus: Zur Lage am (nachhaltigen) Finanzmarkt 2022

Überblick über die aktuelle Lage am Finanzmarkt und nachhaltige Geldanlagen

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Gute Neuigkeiten, das verspricht zumindest der Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) 2022. Der Bericht setzt sich mit nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auseinander. Immer mehr Menschen wollen in eine grüne Zukunft investieren. So steigt auch das Angebot an nachhaltigen Finanzanlagen – zumindest scheint es so.

Nachhaltigkeit im Trend

Insgesamt investierten private Anleger*innen 2021 ganze 131,2 Mrd. Euro in „nachhaltige“ Geldanlagen. Ein Anstieg von ganzen 230 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr! Auch institutionelle Anleger*innen achten immer mehr auf Nachhaltigkeit und investieren in Fonds, die grün gekennzeichnet sind.

Nachhaltigkeit wird immer wichtiger und das ist toll. Doch gleichzeitig sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Was bekommt man da eigentlich, wenn man eine „nachhaltige“ Geldanlage auswählt? Wie grün sind diese Anlagen?

Dieser Blogartikel gibt Dir einen Überblick über die aktuelle Situation am Finanzmarkt und wirft Licht auf das schwammige Wort „Nachhaltige Geldanlage“.

Was bedeutet „Nachhaltigkeit“?

Was nachhaltig ist und was nur grün scheint, ist oft schwer auseinanderzuhalten. Auf EU-Ebene gibt es zwei Ansätze, die Geldanlagen als nachhaltig kennzeichnen:

  1.  Die EU-Offenlegungsverordnung (seit März 2021)
  2. und die EU-Taxonomie, die seit Beginn des Jahres in Kraft ist

Ziel ist es, die Transparenz zu erhöhen. Anleger*innen sollen selbst über die Wirkung ihres Geldes entscheiden können. Sie sollen bestimmen können, was mit ihr Geld fördert und was nicht.

Denn: Wo Geld hinfließt, da bewegt sich etwas. Mit jeder Investitionsentscheidung lenken Privatkund*innen die Wirtschaft und können über die Zukunft mitentscheiden.

Welche Versicherung und Bank Du wählst, ist entscheidend.

Mit jeder nachhaltigen Geldanlage fließt mehr Geld in eine grüne Zukunft.

Die EU will diese Entscheidung einfacher machen. Die Offenlegungsverordnung definiert bestimmte Transparenzanforderungen. Es handelt sich also nicht um Nachhaltigkeitsanforderungen, sondern nur um die transparente Kommunikation: Wohin fließt das Geld? Wird Nachhaltigkeit in der Anlage berücksichtigt?

Wenn Nachhaltigkeit keine Rolle spielt, ist das prinzipiell okay. Es muss allerdings begründet werden, warum nicht.

Helles Grün und dunkles Grün

Die zwei Farbtöne sind in der Finanzwelt auch als Artikel 8 und 9 bekannt. Wenn Fonds als nachhaltig beworben werden, muss die Nachhaltigkeitseigenschaft in einem Jahresbericht transparent dargestellt werden. Was eigentlich selbstverständlich klingt, wurde von der EU jetzt rechtlich in Artikel 8 vorgeschrieben.

Wer nicht nur „hellgrün“ sein will, hält sich lieber an Artikel 9-Fonds. Diese entsprechen nicht nur bestimmten Nachhaltigkeitskriterien, sondern haben konkrete nachhaltige Anlageziele. Diese Fonds werden dann als „dunkelgrün“ bezeichnet. Leider ist die Anzahl dieser Fonds verschwindend gering. Nur 7 Prozent der Publikumfonds (auch für private Anleger*innen zugänglich) und 0 Prozent der Mandate und Spezialfonds (nur für institutionelle Anleger*innen zugänglich) werden 2021 dem Artikel 9 gerecht.

Artikel 9 Fonds sind nachhaltiger als Artikel 8 Fonds.

Nicht 100 Prozent grün

Schnell wird hier das Problem klar. Nachhaltig wird nicht streng definiert, es geht nur um Transparenz. Was grün und was nicht grün ist, kann relativ frei festgelegt und begründet werden. Artikel 8 und 9 können nicht garantieren, dass das Geld wirklich nachhaltig angelegt ist – lediglich die Offenheit ist gewährleistet.

Taxonomie als Rettung?

Mit der EU-Taxonomie gibt es erstmals eine Verordnung, die nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten auszeichnet. Taxonomie-konforme Geldanlagen haben vor allem die Umwelt im Blick. Wer hier investiert, kann sicher sein, dass das Geld mindestens eines der folgenden Ziele fördert und gegen die restlichen nicht verstößt:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Soziale Kriterien werden aber auch hier nicht berücksichtigt. Firmen, die wegen schwierigen Arbeitsbedingungen in Kritik stehen, können also durchaus als grün gelistet werden.

Außerdem zählen Gas und Atomkraft laut Taxonomie als förderlich für den Klimaschutz. Was die EU als grün einstuft, deckt sich also nicht unbedingt mit den Vorstellungen vieler, die mehr Nachhaltigkeit wollen.

ESG, Best-in-Class, Ausschlusskriterien und Impact Investing

Wir haben nun zwei Mechanismen zur Kennzeichnung „nachhaltiger“ Geldanlagen auf EU Ebene kennengelernt. Neben diesen Mechanismen gibt es weitere Kriterien, an denen Du nachhaltige Geldanlagen erkennst. Hier findest Du die wichtigsten Kriterien im Überblick.

Die ESG-Bewertung

ESG steht für Environmental Social Governance. 82 Prozent der Fonds, die nach Artikel 8 und 9 als nachhaltig gelten, investierten 2021 in Unternehmen, die hinsichtlich drei Kriterien bewertet wurden: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

Jedoch bewerten Expert*innen hier auch Branchen, die im Widerspruch zur Nachhaltigkeit an sich stehen. Auch die Waffenindustrie, Tabakunternehmen oder Atomkraftbetreiber können danach beurteilt werden. ESG ist gerade in letzter Zeit immer wieder im Rahmen von Greenwashing-Skandalen negativ aufgefallen, wie bei der Tochterfirma der Deutschen Bank DWS.

Best-in-Class

Wer sich nach dem Best-in-Class richtet, der investiert in Firmen, die innerhalb einer Branche am besten in den ESG-Kriterien abschneiden. Auch hier gilt: „Nachhaltige“ Investitionen können in das sozialste Waffenunternehmen fließen – ein Widerspruch in sich!

Greenwashing: Wie grün sind „nachhaltige Geldanlagen“ wirklich?

Was hilft – Ausschlusskriterien

Um die Glaubwürdigkeit zu wahren und sicher zu gehen, dass genauso etwas nicht passiert, gibt es Ausschlusskriterien. „Nachhaltige Fonds“ garantieren, dass z.B. kein Geld in Kohle oder Kriege fließt. Welche und wie viele Kriterien das sind, ist aber sehr unterschiedlich. 

Ein Beispiel: Nur weil bei einer Geldanlage Kohle ausgeschlossen wird, heißt das nicht, dass die finanziellen Mittel nicht eventuell Massentierhaltung fördern. Es lohnt sich also genau hinzuschauen. So zeigt sich schnell, ob ein Fond Deinen persönlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit gerecht wird.

Das Non-Plus-Ultra: Impact Investing

Neben den Ausschlusskriterien empfehlen wir außerdem, sich an das Impact Investing zu halten. Beim Impact Investing wird die Wirkung der Investition genau untersucht. Und: Es werden nur die Projekte und Unternehmen finanziert, die eine messbare positive Wirkung für Klima, Umwelt und Gesellschaft haben, wie beispielsweise eine Investition in Erneuerbare Energie oder Biodiversität. Das machen wir auch bei ver.de so.

Der Vorteil von Impact Investing: Es wird gefragt, was tatsächlich finanziert wird, nicht nur, was nicht finanziert wird. Das bedeutet mehr Transparenz über die reelle Wirkung der Investition.

Bisher sind es nur 7 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen, die darauf achten positive, messbare Wirkung mit dem Geld der Anleger*innen zu schaffen. Hier ist also noch Luft nach oben.

Sich vor Greenwashing schützen

Gar nicht so leicht, das richtige Angebot zu wählen. Viele Menschen wollen Gutes bewirken, fallen aber zu oft auf den neuen grünen Anstrich der Geldanlagen rein. Wir empfehlen daher zu bestimmten Banken und Versicherungen zu gehen, die selbst strenge Ausschlusskriterien und Impact-Kriterien definieren. Denn Artikel 8 und 9 oder die ESG-Strategie allein reicht nicht, um sicher nachhaltig zu investieren.

Worauf Du bei der Suche nach einer nachhaltigen Geldanlage achten solltest.

Welche Bank passt zu mir?

Nachhaltige Banken gibt es mittlerweile ein paar. Welche wirklich nachhaltig sind und welche nur grün scheinen, das zeigt Dir zum Beispiel der Fair Finance Guide.

Und Versicherungen?

In dieser Branche sieht es bisher sehr mau aus. Es gibt noch keinen einzigen nachhaltigen Sachversicherer. Das bestätigt eine Studie der Stiftung Greensurance und der Hochschule für Technik (HFT) in Stuttgart. Ein riesen Problem, denn Versicherungen lenken genauso viel Geld wie Banken. Die Lösung? Heißt zum Beispiel ver.de. Wir wollen Deutschlands erste nachhaltige Versicherung* werden.

Geld nachhaltig anlegen heißt, in eine bessere Zukunft zu investieren.

Du willst Geld nachhaltige anlegen? Also wirklich nachhaltig?

Wir wissen wie schwer es ist, sich auf dem Finanzmarkt zu orientieren. Wenn Du Unterstützung brauchst, empfehlen wir Dir den ver.de CHECK. Hier setzten wir Dich in Verbindung mit einem/einer Finanzberater*in, der/die die nachhaltige Finanzwelt besser als kein/e andere/r kennt.

* Erst nach vollständiger Finanzierung und der Zulassung durch die BaFin dürfen wir uns als „Versicherung“ bezeichnen.
Hinweis: Die vorstehenden Aussagen geben die persönliche Meinung der Verfasserin/Herausgeberin bzw. der Interviewpartner*innen wieder; eine Haftung für die Richtigkeit kann nicht übernommen werden.

Quellen

Capital, 2022

FNG, 2022

Klimavest, 2022

Maraike Schäfer

Maraike Schäfer

Maraike studiert Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Sie hat sich auf den Bereich Umwelt- und Entwicklungsökonomik spezialisiert und arbeitet als wissenschaftliche Hilfskraft. In Ihrer Freizeit setzt sie sich als Mitgründerin des „Klimaentscheid Bayreuth“ für die Umsetzung der Klimaneutralität in Ihrer Stadt ein. Ihre Zukunftsvision ist eine Welt, die ein Stück sozial gerechter ist. Dafür braucht es mehr Nachhaltigkeit und die dringende Transformation der Finanzwelt findet sie.

Eine Antwort

  1. Die Aussage, dass diese Zahlen „mit Vorsicht zu genießen sind“, kann man nur zu 100 Prozent unterstreichen. Tatsächlich sind sie meiner Meinung nach „absolut green gewashed“, geradezu „erfunden“ und spiegeln die Realität in keinster Weise wieder. Da ist wohl jede noch so kleine, ansatzweise ESG-ähnliche Kapitalanlage mitgezählt worden und auf diese Weise werden wir nie einen „echten Wandel“ hin zu ESG als einem Standard für Investments erleben.

    Als Anbieter der ersten Bildungsaktie in Deutschland (WKN A2AA1Q) und einer Wandelanleihe im Bildungssektor spreche ich aus eigener Erfahrung und würde sagen, dass die Realität so aussieht:

    Investoren(vertreter) erwarten, dass ESG-Investments die durch ESG verursachten Kosten selber tragen und die gleichen Renditen liefern, wie Nicht-ESG-Investments; was in sich völlig unlogisch ist, bedeutet ESG doch u.a. mehr Investitionen / Ausgaben in/für den Umweltschutz, in/für faire Löhne und saubere Governance-Strukturen, die nicht per se mit höheren Umsätzen und Renditen einhergehen (können).

    Wer diese Erwartungen an sein Investment stellt, muss sich also bereit erklären, im Sinne des Gemeinwohls diese Mehrkosten wenigstens zwischen sich, dem Investment und dessen Kunden „zu teilen“, was sich in einer niedrigeren Rendite für den Investor(envertreter) äußern muss.

    Dieses Augenmaß haben Fondsmanager, die von den Renditeerwartungen der Kapitalgeber „getrieben“ werden, jedoch nicht oder sie haben es verloren.

    Daher gilt für Anleger „Augen auf“ und genau schauen, „was in der ESG-Packung tatsächlich drin ist“; ehrliche Investments oder Mogelpackungen / Lippenbekenntnisse – siehe DWS!

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